40 werden ist nicht schwer

 

Es ist passiert!

Vor zwei Wochen habe ich die Schallmauer durchbrochen und bin 40 Jahre alt geworden. Der geneigte Rechner stellt schnell fest: sie ist ein Kind der 80er!!

 

Was ich sehr schätze, es war toll für mich in den Achtzigern groß zu werden. Ich liebte die Spielsachen meiner Kindheit, das freie Großwerden und das (verbotene) Durchstreifen der Maisfelder meiner ländlichen Kleinstadt. Die Musik und die Kleidungsstile haben sich in mein Gehirn geschweißt. Viele Dinge aus diesem Jahrzehnt kommen bereits wieder in Mode. Ich sehe jetzt Jugendliche in Klamotten der neunziger Jahre und ertappe mich bei Gedanken wie “ Oh je! Das habe ich mit vierzehn auch getragen!“ Ein Zeichen des Älterwerdens - denn ich erinnere mich wie meine Tanten das zu mir gesagt haben oder auch „Ja, ja das kommt alles wieder!“ Von mir ernteten sie stets verständnislose Blicke... Und nun isses bei mir  soweit. Und jetzt verstehe ich das sogar.

 

 

Wochen vor meinem Geburtstag kamen schon die ersten Gedanken an die "böse 40" auf. Als ich gefragte wurde, ob ich denn feiere, war gerade Corona- Lockdown-Zeit, so konnte ich diesen Gedanken noch aufschieben. Doch drängte sich immer wieder die Frage auf: „Wie ist es eigentlich 40 zu sein?“ Ich führte Gespräche mit meinen Vorgängern darüber und versuchte ein Gefühl dafür zu bekommen und diesen Übergang für mich zu gestalten, den Veränderungen zu begegnen.

Was sich damit veränderte, das zeigte sich auch an banalen Tatsachen: schon seit einiger Zeit bemerkte ich, dass meine Haare sich nicht mehr so einwandfrei glätten ließen. Seit knapp 20 Jahren trage ich mein naturgewelltes Haar glatt- vor 15 Jahren entdeckte ich mein geliebtes Glätteisen. Das gefiel mir immer gut, nicht so aufzufallen und eher brav auszusehen. Doch seit einigen Wochen ringelte sich das Haar nach allen Versuchen es zu bändigen noch immer. Ich ärgerte mich darüber, beließ es aber dabei. Als ich dann mal bewusst hinspürte, kam mir der Gedanke, dass vielleicht mein Körper sich veränderte. Dann dachte ich, vielleicht ändert sich tatsächlich etwas…

 

Ich überlegte viele Wochen, ob ich meine „Locken“ mal zeigen sollte. Da meldete sich mein altes Unwohlsein und ich spürte auch Scham. Denn meine Erfahrungen aus der Jugend holten mich sofort wieder ein. Nach vielem Nachspüren und Raum geben dieser Emotionen, wollte ich mir einen Ruck geben. Ich machte mir klar, dass mein sechszehnjähriges Ich vielleicht etwas Mut gebraucht hätte und den war ich mir nun bereit zu geben. Vielleicht ist es Zeit meine Veränderungen in der Persönlichkeit auch nach außen zu tragen? Ich entschied mich es am nächsten Tag mal auszuprobieren. Nach einigen Tutorials im Internet, etwas Schaumfestiger und Wagemut später: sah ich einfach furchtbar aus! Ich zitiere eine gute Freundin „Wie ein aufgeplatztes Sofakissen“. :-))

Also wieder glätten – was mir nur mit mäßigen Erfolg gelang. Ich ärgerte mich wahnsinnig - mir wurde schlagartig bewusst, warum ich wegen meiner Haare aufgezogen wurde. Und gab den Zweiflern innerlich recht. Ich wollte aber nicht aufgeben und entschied mit trotzdem, dass ich mir Hilfe holen wollte. Ich machte einen Termin mit meinem wunderbaren Friseur: Er unterstützte mich in meinem Entwicklungsprozess und zeigte mir, wie ich die Mähne bändigen konnte und so ging ich frohen Mutes in einen neuen Versuch. Dieser gelang sogar auf Anhieb – ich fühlte mich gestärkt und wagemutig.

 

Der erste Tag mit Locken war trotzdem merkwürdig: Ich habe mich ganz anders gefühlt. Wie ein ganz anderer Mensch, ganz fremd und trotzdem mehr Ich. Ich schaute in jeden Spiegel, in jede Scheibe und wunderte mich jedesmal wem ich da in die Augen blicke. Nach den ersten Rückmeldungen im Außen fühlte ich mich besser - auch wenn ich die Komplimente nicht gleich annehmen konnte. Ich erkannte an, dass das Gefühl der Scham für die wilde Welle  und die Erinnerungen an die schmerzlichen Hänseleien aus meiner Jugend noch sehr tief saßen.

 

Trotzdem blieb ich erst einmal dabei und stylte jeden Morgen – was viel weniger Aufwand bedeutete als das Glätten. Mein Wille wurde belohnt: ich wurde wirklich selbstbewusster und bekam zunehmend positive Reaktionen. „Das passt viel besser zu deinem Charakter“, „Das bist richtig DU“, „warum hast du das nicht längst so getragen?“ „Wow, hast du tolle Locken“.
Ich dachte sogar, dass meine alte Brille nicht mehr zu mir passt. Und so habe ich mir zum Geburtstag eine neue Brille ausgesucht und bin auch da neue Wege gegangen. Das alles unterstreicht meine Persönlichkeit mehr und ich fühle mich gut.

 

Diese äußeren Veränderungen – klingen eigentlich ganz profan. Doch ich merke, sie sind von innen heraus gewachsen. Ich habe mehr Bewusstsein für mich als Mensch und Frau gewonnen. Mit der Umsetzung ins Außen, die Mut brauchte, ist wiederum innerlich etwas passiert:

 

Mit 40 Jahren fühle ich mich vielmehr nach mir selbst an. Ich fühle mich viel wohler in meiner Haut und finde mich gut, so wie ich mich (weiter-) entwickelt habe. Dieser Prozess hat ein halbes Leben gebraucht – daher kann ich sagen, ich bin total gespannt was die nächsten 40 Jahre mir bringen. Ich bleibe offen und neugierig – hat sich gelohnt! ;-)

 

 

 

P.S. richtig gefeiert habe ich übrigens nicht – mir war nicht danach.