Gastbeitrag #1

Seit langem schon habe ich mich mit dem Gedanken getragen meinen Blog durch andere (hochsensible) Sichtweisen zu bereichern. Umso mehr freue ich mich, dass den Anfang meine liebe Freundin, Kollegin und Netzwerkpartnerin Maren Jaentsch von Omni fides aus Lilienthal macht. Mehr über Maren und ihre wertvolle Arbeit findet ihr hier.
Ich präsentiere: Den ersten Gastbeitrag - dem hoffentlich einige weitere folgen werden… ;-)

Viel Freude beim Lesen,

Eure Bianca

 

Von Loslassen, Durchleben und Neu-Kreieren

 

Früh stand für mich in meinem Leben fest, dass ich Mutter werden will und das möglichst bald. Zum Glück ließ sich dieser Wunsch mit einem wunderbaren Mann zeitnah in die Tat umsetzen und das Jahr 2014 schenkte uns unsere erste Tochter.

 

Ich dachte: „Nun ist mein Leben rund und alles kann nur wunderbar sein.“ 

 

Ein großer Teil in mir spürte genau dieses innere „komplett und rund“ sein.

 

Ein Anderer meldete sich jedoch nach einer Weile mit ganz anderen Bedürfnissen. Ich fühlte mich schnell körperlich und geistig erschöpft, war launisch und manchmal konnte ich mich in meinem Gefühls-Wirrwarr kaum selbst ertragen. Ich weinte und lachte im gleichen Moment. Ich konnte mich immer weniger selbst greifen. Die Müdigkeit durch den großen Schlafentzug führte mich weiter in diesen Sog des „von mir entrückt sein“.

 

Mein Herz schlug mir in manchen Situationen bis zum Hals, mein Rücken schmerzte, ich konnte mich nicht mehr aufrichten, ging mit völlig eingefallen Schultern durch die Welt. Doch ich merkte, wie ich diesen Teil in mir immer weniger Stimme geben wollte. „Sowas darf man doch nicht spüren, wenn man ein wunderbares und gesundes Kind zur Welt gebracht hat, oder?!“ Ich redete mir immer mehr ein, dass Gefühle von Zweifel, Traurigkeit, Wut und Erschöpfung so überhaupt nicht in das Bild vom Mutter-sein passte, das ich doch schon so lange leben wollte.- So argumentierte mein Kopf, aber das passte nicht zu meiner Gefühlswelt. Die innere Zerrissenheit in mir wurde immer größer.

 

Ich merkte, was ich alles für mein Kind gegeben hatte, sodass ich mich dabei völlig verloren hatte, mich kaum noch spüren konnte, weil ich in dem System des Funktionierens gefangen war. Ich habe mich jeden Tag aufs Neue bereitwillig in den Dienst dieses Systems gestellt und ein großer Teil tief in mir, fand das auch wunderbar. Ich durfte erfahren wie es sich anfühlt von einem kleinen Wesen geliebt zu werden und ihm meine Mutterliebe jeden Tag aufs Neue schenken zu dürfen - bedingungslos. Doch es fehlte etwas.

 

 

Ich in meiner Ganzheit fehlte.

 

Irgendwann knallte es aus heiterem Himmel. Ich hatte plötzlich Panik. Ich spürte diese Angst vor dem alltäglichen Leben in seiner ganzen Intensität. Alles schien in Frage gestellt, tiefe Unsicherheit machte sich in mir breit und inmitten dieser Dunkelheit und Traurigkeit war da dieser heile Kern in mir… Der mich jeden Tag begleitete und den ich spürte. Er gab mir in all meiner Erschöpfung genau dann die passende Energie, die ich brauchte, um den Mut zu finden, mich auf die Suche nach neuen Ideen zu machen.

 

Mit der Zeit, die in diesem Zustand vorüber ging, spürte ich mich immer weniger und irgendwann war es mir nicht mehr möglich diese anfangs so tief gespürte Liebe in seiner wunderbaren Intensität zu fühlen und davon zu zehren. Ich fühlte mich schier taub. Nicht mehr fähig etwas aufzunehmen. Ich konnte nur noch begrenzt funktionieren in diesem System, das ich mir selbst geschaffen hatte. Und das ich ohne Frage liebte und das mir trotzdem in dieser Art wie wir es lebten, nicht mehr gerecht wurde. Mir fiel es schwer morgens aufzustehen, ich schleppte mich durch den Tag, voller Müdigkeit, Erschöpfung und Taubheit. Ein Kind zu haben, dass man endlos liebt bringt einen eben auch an diese Grenze und ich konnte es endlich zu lassen. Alles was da kam ließ ich mit seiner ganzen Energie durch mich hindurch laufen. Tränen, die ich scheinbar endlos vergoss, waren wie eine innere Reinigung.

 

Heute bin ich zutiefst dankbar für diese Zeit, auch wenn es sich grotesk anhören mag. Durch das Loslassen von allem was da war und gewesen ist, konnte etwas Wunderbares beginnen zu wachsen.

 

Ich spürte das erste Mal nach langer Zeit wieder mein volles Gefühlsspektrum. Von einem Pol zum anderen. Durch das Wahrnehmen von allem, was einfach nur schrecklich war, konnte ich das was unendlich schön war, wieder kraftschöpfend entdecken. Ich begriff zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht was da passiert und auf welchem Weg ich war. Ich hatte nur mein Gefühl und meine innere Sehnsucht, die wusste, dass das alles so zu mir passt und sich richtig anfühlt.

 

Ich erkannte alles an; jeden Anteil in mir, jedem Bedürfnis, das sich zeigte gab ich bewusst einen Raum, um angeschaut und wertgeschätzt zu werden. Und sei es nur eine kalte Dusche an einem heißen Tag, ohne das wundervolle Zuckergesicht meiner Tochter, die mir von der Toilette aus zuschaute. Ein Stück Kuchen, das ich mal nur für mich hatte - ohne es selbstverständlich mit meiner Tochter und dem befreundeten Kinderbesuch zu teilen. Ja - Das ist mal nur für mich! Das ist das, was ich jetzt für mich brauche.

 

Ich spüre sehr fein und genau nach was ich brauche, um mich rund und in Verbindung mit mir selbst zu erfahren. Daher war dieses Umdenken etwas Essentielles für mich. Eine wertschätzende Grundhaltung mir und meinen inneren Bedürfnissen und Ressourcen gegenüber und gleichzeitig eine intensive und ehrliche Verbindung zu meinen Kindern zu entwickeln.

 

Auch Mama geht es mal schlechter, Mama braucht mal Unterstützung, Mama liebt ein Stück Schokokuchen für sich alleine - mit allen Konsequenzen, denn nicht jeder, dem ich ein Bissen von meinem Schokokuchen verweigere, teilt das beim nächsten Mal sein Stück mit mir. Aber genau das ist eben auch dann in Ordnung! Die Wahrhaftigkeit von Grenzen spüren mit allen Konsequenzen – das möchte ich leben und vorleben.

 

Heute, fünf Jahre später, weiß ich wie wertvoll dieser Knall war und was für eine Klarheit er in mir geweckt hat. Einen großen Schatz habe ich aus dieser Zeit mitgenommen, der mir immer aufs Neue die Möglichkeit gibt, mich noch tiefer mit mir verbunden zu fühlen und diese Verbindung auch zu pflegen. Ich war zu jedem Zeitpunkt mit meinem inneren, heilen und gesunden Kern in Verbindung, auch wenn es sich so anfühlte als ob ich mich manchmal gar nicht mehr spürte. In mir war zu jeder Zeit alles da, was ich brauchte, um gestärkt aus dieser Zeit hinaus zu gehen. Ich musste nur Wege finden die Kraft darin freizulegen.

 

Kinder und vor allem meine sehr feinfühligen und gefühlsintensiven Kinder, brauchen meine Authentizität, weil sie alle Stimmungen, die ich nicht klar ausspreche, ohnehin wahrnehmen. Denn sie spüren diesen feinen Unterschied zwischen innerer und äußerer Welt, zwischen Gesagtem und Gefühltem und ob beides in echter Verbindung steht. Die Essenz für mich ist, dass ich meinen Töchtern durch mein authentisches Verhalten die Möglichkeit bieten möchte eine Sicherheit im Umgang mit ihrer eigenen Wahrnehmung zu entwickeln. Ich möchte dass sie sich sicher sein dürfen, dass sie ihrer eigenen Wahrnehmung trauen und ihren Bedürfnissen Gehör verschaffen dürfen und sogar müssen.

 

Meine Aufgabe in der erzieherischen Begleitung meiner Kinder sehe ich darin gemeinsam mit ihnen einen Weg zu finden wie es funktioniert diese Bedürfnisse respektvoll im Umgang mit allen anderen Lebewesen in dieser Welt zu integrieren.

 

Dieses Feingefühl möchte ich meinen Kindern auf ihrem Lebensweg mitgeben und eines ist für mich in den letzten Jahren immer klarer geworden: Meine Kinder in ihrer Entwicklung zu mitfühlenden und selbstwirksamen Menschen zu begleiten kann ich nur, wenn ich es ihnen vorlebe mit allen Ecken und Kanten und mit dem Glück, das darin ganz sicher zu finden ist…